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Wie ich zur Rosensucherin wurde

Rosen, alte Häuser und viele Geschichten

alte Rosen, eine BlüteRosen nahmen schon am Anfang von allem einen wichtigen Platz in meinem Leben ein. Als wir vor 15 Jahren nach einem eigenen Haus suchten, war für uns vor allem eines wichtig. Ein Garten, möglichst ein großer Garten. Denn schon als Studentin hatte ich eine ganze Menge Pflanzen in unserem damaligen Garten zusammengetragen. Unter anderem hatten sich beispielsweise irgendwie 100 Edelrosen dort eingefunden. Die wollte ich unbedingt mitnehmen, war es doch ein Geschenk, und sie waren rot…

Großer Garten mit kleinem Haus

So stand es in einer Anzeige im Göttinger Tageblatt. Und wir hatten Glück, es war nicht sehr gefragt. Es war ein Denkmal und aus den 1000 Quadratmetern Gartenland konnte man kein Bauland machen. Zudem durfte die Raumhöhe von zwischen 1,7 und 2 Metern nicht verändert werden. Nun, wir bekamen das Haus und setzten unsere bescheidenen Gartenschätze irgendwo in das hohe Gras.
Nach 4 Jahren eigenhändiger Renovierung am Haus waren wir, für uns völlig ungewohnt und überraschend, fertig damit. Den größten Teil unserer freiwerdenden Energien steckten wir in anderer Leute Häuser (IGB) und in unseren eigenen Garten. Das betrieben wir etwa ein Jahrzehnt recht intensiv, bis beides wieder zusammengeführt wurde. 2004 organisierten wir als IGB-Veranstaltung zum ersten Mal den Tag des offenen Gartens in Deutschlands Mitte. Im Dreiländereck Hessen, Niedersachsen und Thüringen öffnen seitdem im Juni etwa 20 Gartenbesitzer aus 5 Landkreisen ihre Gartenpforte für interessierte Besucher. Im zweiten Jahr nahmen über 3600 Menschen die Gelegenheit wahr, sonst geschlossene Gärten zu besichtigen.

Von alten Rosen

Bei der Einführungsveranstaltung des Tags des offenen Gartens bekam ein Reporter mit, wie ich mich mit einem Besucher unterhielt. Ich erzählte über eine schöne, rosafarbene Rose mit kugelförmigen Blüten etwa folgendes:

alte Rosen - eine BlüteIch habe sie in einem Garten an einem alten Haus entdeckt, wo sie regelmäßig abgemäht wurde und deshalb nicht blühte. Alte Rosen stehen meist – im Gegensatz zu den heute erhältlichen Rosen, auf eigenen Wurzeln. Dadurch können sie sich über Wurzelausläufer vermehren und verbreiten, was veredelte Rosen nicht können.

Alte Rosen, dass sind knapp gesagt die Rosenklassen, die vor 1867 gezüchtet wurden bzw. entstanden sind. Sie sind meist robuste Sträucher, die im Juni einmal verschwenderisch blühen und wunderbar duften. Die meisten blühen aber nur an dem Holz, das sie im Jahr zuvor gebildet haben. Wird ihnen dieses Holz genommen, so sind sie ständig damit beschäftigt, neues für die Blüte im nächsten Jahr zu produzieren.

Rosen, die geschnitten werden…

Jeder rechte Gartenbesitzer, der was auf sich und seine (modernen) Rosen hält weiß, dass man diese Rosen in jedem Frühjahr herunterschneidet. Alte Rosen, die vielleicht schon Jahrhunderte an ihrem Platz stehen, bekommen es nun mit bemühten Hobbygärtnern zu tun. (Obwohl auch viele „Profis“ diesen Wissensstand teilen.) Zur „Kräftigung“ der Rose wird sie nun jedes Jahr heruntergeschnitten und blüht demzufolge nicht. Also eine schlechte, oder gar eine wilde Rose!

Und so werden die Alten Rosen entsorgt. Auf diese Weise sind in den letzten Jahrzehnten viele wunderschöne, traditionsreiche und der Region angepasste Gartenrosen verschwunden. In den letzten Jahren verstärkt sich dieser Trend. Der Umsatz beim Rosenkauf verlegt sich immer mehr auf Discounter, wo nicht die geringste Chance auf kompetente Beratung besteht.

Wo die Rosen herkamen.

Die angesprochene Rose aber stand in einem Nachbardorf. Ich hatte sie schon seit Jahren beäugt, aber mich nie getraut nach einem Ableger zu fragen. In einem Jahr fuhren die Besitzer immer wieder und wieder mit dem Rasenmäher drüber, um die verzweifelt kämpfende Rose endlich zu besiegen. Dann habe ich mir endlich ein Herz gefasst und gefragt, ob ich ihre Reste ausgraben dürfe.

Ich erntete ungläubige Blicke, aber ich durfte graben. Zum ersten Tag des offenen Gartens standen bereits fünf verschiedene, unbekannte Rosenschönheiten in unserem Garten. Dieser hatte übrigens mittlerweile nur noch wenig hohes Gras und Brennnesseln zu bieten. Dafür wartete er mit vielen seltenen Liebhaber- und alten Bauerngartenpflanzen auf und war bis oben hin voll.

Der Zeitungsaufruf an Rosenbesitzer

Der Reporter nun fand das sehr nett und interessant und meinte, wir sollten doch mal einen Extrabericht über das Thema machen. Der erschien dann mit ein paar meiner schönsten Bilder alter Rosen in der Zeitung. Versehen dem Aufruf, dass sich Besitzer solcher schon lange an ihrer Stelle stehenden Rosen bei mir melden sollten.  Und mir vielleicht auch den einen oder anderen Ableger dieser Rosen zwecks Sicherung überlassen mögen.

Bereits morgens um sieben Uhr am Tag des Erscheinens kamen die ersten Anrufe aus dem offensichtlich früh munteren Eichsfeld. Danach meldete sich das ländliche Umland Göttingens. Bis zum Abend erreichten mich über 50 konkrete Rosenangebote. Dabei noch gar nicht zu reden von Menschen, die Beratung, oder solche Rosen bei mir kaufen wollten.

Ich war platt!

Rosen mit Geschichten

Ich sah mir alle Rosen an, ich schrieb auf, was mit die Besitzer über ihre Rosen erzählten. Geschichten, die es allein schon wert wären sie zu  erhalten. Viele erzählen davon, wie meist Großmütter bei ihrer Heirat die „Hausrose“ von Daheim mitbrachten und als Besitzname des Hauses und des Gartens in ihrem neuen Heim anpflanzten. Oder dass häufig nach dem Bau eines neuen Hauses eine Rose in den neu angelegten Garten gepflanzt wurde.

Wie zum Beispiel die identifizierte, nicht mehr zu meinen „Unbekannten“ gehörende Remontanthybride Mrs. John Laing (aus dem Jahr 1887). Sie stand im wunderschönen, im Jugendstil überformten Garten unserer Nachbarin, deren Haus 1888 erbaut wurde. Oder die Zentifolie, deren Alter der Besitzer nicht wusste, nur, dass sein Urgroßvater sie nach dem Bau des Hauses gekauft und gepflanzt hatte. Nun, das ist doch eine unserer leichtesten Hausforscher-Übungen!
Das Haus ist wahrscheinlich ebenfalls aus den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts und somit ist es zumindest ein möglicher Hinweis auf ihr Alter.

Rosen Mrs. John Laing

Es wird ernst!

Ich verabredete also für den Herbst Grabungsaktionen der wurzelechten Ausläufer. Ich versprach den Rosengebern, dass ich alles versuchen würde um ihren Lieblingen eine Überlebenschance zu verschaffen. Danach ging ich in unseren Garten und überlegte, wo ich diese großen Strauchrosen denn nun lassen sollte. Ich musste ja erst einen Rosengärtner in unserer Region finden, der bereit wäre, diese Rosen zu vermehren und zu vermarkten.

Ich fand ihn nicht. Weder den Platz für die inzwischen 75 unbekannten Rosen aus der Region noch den Vermehrer. Und ich hatte doch so vielen Menschen ein Versprechen gegeben! Ihre Großmutterrosen und andere Rosen, an denen sie sehr hängen, zu retten und weiterzuverbreiten.

Was sollte ich dem 85-jährigen sagen, der zwei Rosen von seiner Großmutter über die langen Lebensjahre gebracht hatte und nun so froh war, dass sie nicht mit ihm untergehen würden? Nachdem er mir anvertraute, er würde doch all die Rosen, die ich zusammentragen würde, so gern noch blühen sehen? Letztes Jahr berichtete er von einem Besuch Europarosariums in Sangerhausen, den er sehr genossen hatte.

Was ist das Ende vom Lied? Letztendlich die Suche nach mehr geeigneter Fläche. Zum Beispiel die Pacht einer nahegelegenen Wiese und eine intensive Beschäftigung mit dem Vermehren von Rosen. Der Bereich auf dem Bild ist etwa 1000 Quadratmeter groß und beherbergt  ca. 400 Rosen.

Sowas kommt von so was!

Karin Schade 2006

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Romneya coulteri – ein wahres Märchen!

Romneya coulteri - Einzelbüte im ProfilRomneya coulteri – Kalifornischer Baummohn

Eine Liebesgeschichte mit Romneya coulteri in der Hauptrolle. Wo man sie pflanzen sollte und wo, bei aller Liebe, besser nicht.
Ein Fortsetzungsroman in gebrochenen Bildern.
Oder auch: Ein Drama in vier Akten, geschrieben von Karin Schade, hier auch sonnenschein genannt.

Erster Akt: Der Anfang im Jahr 2003

Es war einmal ein Bild in einem Buch. Das zeigte eine wunderschöne Blüte, weiß, mit einem gelben Staubpuschel drinnen. Dieses Blütenbild ließ Blätter erahnen, die waren ganz entzückend blaugraugrün. In dieses Bild verliebte sich der sonnenschein, als er noch nicht einmal ein solcher war, jedenfalls nicht internetoffiziell.
Der ersten Ausflug in das Internet wurde also unternommen, um sich auf die Suche nach einer weißen Blüte mit dem gelben Puschel zu machen. Aber auch intensive Suche brachte niemanden hervor, der sagen konnte, wo diese Pflanze zu bekommen war. Sehnsüchtig betrachtete daher der sonnenschein immer wieder dieses Bild. Und pflegte weiterhin die große Hoffnung im Herzen, die wunderschöne Blüte würde ihm eines Tages begegnen.

Ein Lebenszeichen

Eines Tages kam der alte Nachbar rüber und übergab als Wiedergutmachung für eine Taktlosigkeit dem sonnenschein ein buntes Prospekt. Es zeigte viele bunte Blütenbilder, von Iris, von Pfingstrosen und anderen schönen Pflanzengesichtern.

Romneya coulteri EInzelblüteUnd hier, ganz plötzlich, lächelte ihm das Gesicht seiner liebsten Blüte entgegen! Sonnenschein bekam Herzklopfen vor lauter Aufregung war hin- und hergerissen und wußte nicht mehr, was er tun sollte! Er überlegte lange und tat etwas, was man in der Liebe einfach nicht tun darf und fragte nach dem Preis der vollendeten Liebe. Erkundigte sich, ob es auch gutgehen werde mit einer Beziehung, ob auch alle äußeren Gegebenheiten passen würden. Mit anderen Worten: er zauderte. So kam es, wie es kommen musste: als sich doch endlich für die preisintensive, puschelige Geliebte entschieden worden war, war sie inzwischen spröde geworden und nicht mehr zu haben.

Die glückliche Wendung

Das gleiche Spiel wiederholte sich im nächsten Jahr (inzwischen war auch der Preis stark gestiegen) aber der sonnenschein war sich inzwischen sicher und hatte erkannt, daß er seines Lebens ohne dieses Blütengesicht nie mehr richtig froh werden konnte.

Im dritten Jahr nun kam der Prospekt druckfrisch beim sonnenschein ins Haus. Dieser stürzte unverzüglich ans Faxgerät und beorderte seine Liebste zu sich.
Nur – war er diesmal in seiner Gier so weit gegangen, sich zu sagen: gibt es meine Liebste wieder nicht, so nehme ich dann eben ihre Schwester. Eine von beiden wird mir der Brautvater schon anvertrauen. Und wahrlich! Wie frohlockte der sonnenschein, es erfasste ihn die unbändige Freude, als die beiden Schwestern zu ihm kamen!
Romneya coulteri Blüte mit ClematisAber die Verfassung der beiden Schwestern ließ ihn verzagen. Sie waren sooo zart, daß er große Angst um ihr Leben hatte. Auch fiel es dem sonnenschein nicht ganz leicht, aus dem begrenzten Platz in seinem Herzensgarten derer zwei zu machen. Und dann die Ausbrüche kalten Schweißes, wenn der arme sonnenscheinstudent an den doppelten Brautpreis dachte, den er für beide Schwestern bezahlt hatte! Also bettete er seine preisintensiven Liebsten an die sonnigste Stelle die er finden konnte, direkt am Haus. Die dankbaren Schwestern, die sich geliebt wußten, reckten sich dem sonnenschein entgegen und wurden groß und stark.
Nur ihr Gesicht hielten sie noch keusch verborgen.

Der erste Winter

Als dann aber der Winter kam, wurde dem sonnenschein Angst und Bange. Niemand konnte ihm sagen, wie er seine beiden Liebsten gegen die Kälte schützen sollte und wie gegen die Nässe!
So nahm er allen Mut zusammen, bedeckte die eine mit Tannenzweigen, der anderen schnitt er die graugrünen Blätter und Stengel ab und bedeckte sie mit Kompost und Torfersatz. Er selbst versorgte sich am Ofen den Winter über mit der erforderlichen Wärme. So wartete er sehnsüchtig auf den Frühling und hoffte inständig auf ein Wiedersehen mit seinen Liebsten.

Es wurde Frühling. Der Sonnenschein schickte seine wärmenden Strahlen und versuchte damit die geliebten Schwestern aufzuwecken. Aber es wollte nicht gelingen. Die Schneeglöckchen streckten ihre Gesichter nach oben, die Krokusse, ja selbst die Tulpen und Maiglöckchen. Aber sie alle machten dem sonnenschein gar keine Freude in diesem Jahr; er beweinte seine beiden Blütenpuschel-Schwestern.
Austrieb der Romneya coulteriDoch da, eines Tages, hob sich der Kompost um die Füße seiner Liebsten Romneya coulteri. Ein recht kräftiger blaugraugrüner Haarschopf schob sich  hindurch und bald ward auch die Schwester gesehen, die geschützt hinter einem kleinen Steinchen ebenfalls ihre Glieder streckte.
Was war die Freunde groß!

In diesem Jahr wurden alle Anstrengungen unternommen, den Schwestern alles nur Mögliche an Pflege, Wärme und Liebe zukommen zu lassen um sie zu päppeln. Und, was soll ich Euch sagen – es gelang! Sie faßten Zutrauen und streckten dem sonnenschein beide ihre Blütengesichter entgegen. Er konnte sich nicht satt sehen an seinen beiden geliebten Schwestern und zeigte sie jedem der sie sehen wollte (und auch denen, die sie nicht sehen wollten)!
Die beiden Schwestern wurden groß. Sie hatten Verehrer, die an ihnen knabberten und sie überstanden die Winter, auch die harten, inzwischen ungeschützt.

Veränderung

Und mit den Jahren veränderten sich die Schwestern. Es veränderte sich die Beziehung zum sonnenschein, sie wurden bequem, der sonnenschein auch, die Romneyas gingen in die Breite, der sonnenschein – äh, ging an ihnen vorbei, blieb aber manchmal schon hängen, weil sie sich so breitmachten, bis über den Weg.
Nun machten die Schwestern Kinder. Sie sandten sie aus in die Umgebung, das Terrain für eine weitere Invasion der Romneyafamilie zu bereiten. Dafür fragten sie den sonnenschein nicht nach seiner Meinung. Und der ist darüber nun etwas ärgerlich. Denn weil seine Liebe, da erfüllt, sich – wie das nun eben so ist mit der Liebe – auch anderen Blütengesichtern zugewandt hat, ist seine Geduld nicht mehr ganz so endlos mit den beiden.

Rose Maigold am Zaun

Zum Beispiel der Rose Maigold, die einen solch lieblichen, intensiven Duft hat, welcher den Romneyas fehlt. (Er findet gar, sie röchen etwas streng!) Vor Eifersucht versuchen nun die beiden Schwestern, die Maigold-Nachbarin zu erdrücken. Der sonnenschein drohte mit Ausriß; da weinten die Schwestern und aufgrund der alten Liebe ließ sich der sonnenschein erweichen und ließ die Maigold leiden…

Knospe der Romneya coulteri

Berichtet in 2004 über Romneya coulteri

Austrieb der Romneya coulteri an der HauswandAngestachelt durch die Nachgiebigkeit im Vorjahr machte sich die Romneya coulteri auf den Weg. Zwei Meter am Hausfundament entlang, durch den Betonsockel zur Straße, unter dem Asphalt hindurch und schickt sich nun an, den Fußgängern den sowieso schon schmalen Gehweg an der Straße zu verstellen. Der sonnenschein erwartet für das nächste Jahr folgendes: 1. wird sich die Romneya ein Tuch umhängen und nach Westernmanier die Fußgänger mit vorgehaltener Pistole bedrohen und 2. wird der sonnenschein nicht mehr ängstlich den Blick zum Sofa und das Reinigen hinter selbigem scheuen: denn seine Liebste wird längst durch das Fundament ins Haus gefunden haben und geschützt vor Blicken hinterm Sofa wuchern. Bis sie die alte Standuhr umwirft. Dann wird der sonnenschein sich ihr mal ernsthaft widmen müssen….

Berichtet in 2005 über Romneya coulteri

Hiermit distanziere ich mich schärfstens von allen Äußerungen, mit denen ich jemals geraten habe, Romneya coulteri an eine trockene Hauswand zu setzen. Oder Romneya überhaupt zu setzen. Ich hielt den oberen Text für eine Satire. Naivling!
Ich wußte nämlich nicht, daß sie längst bei jedem Buchstaben, den ich damals schrieb, sich einen Ast nach dem anderen lachte und zwar direkt zu meinen Füßen.
Denn am Sonntag hatte ich zum Geburtstagskaffee geladen und zehn Minuten vor dem Eintreffen der weiteren Gäste erschien hinter dem Sofa, direkt neben der Standuhr, der Hauptgast des Tages:

Austrieb der Romneya coulteri im Wohnzimmer

Trieb in der Isolierung

Der ungebetener Gast: Romneya coulteri

Nach dem Verlassen der Kaffeetafel machten mein Mann und ich uns auf, den letzten, den ´Hausgast´ aus dem Haus zu lassen. Was aber nicht so einfach war wie wir uns das erhofft hatten… Wir schraubten die Fußleisten ab. Wir schraubten den Deckel des mit Bituperl gefüllten Holzkastens ab, der das Sandsteinfundament isoliert… und da guckte sie uns doch schon an!

Trieb hinter der Fußleiste

Und dann, als größte Überraschung, ein mehrere Meter langer und anderthalb Zentimeter dicker Haupttrieb, der sich aufgemacht hatte, mal zu sehen, wie es an der anderen Hausseite so aussieht. Aber es war noch mehr. Sie geht hinter den Fermacellplatten in den zweiten Stock. (jetzt nicht mehr, sie wurde unten gekappt ), sie ging mit etlichen Strängen unter den Holzfußboden (auch da liegen die jetzt ohne weitere Nährstoffzufuhr).

Ja, was werden wir machen? Alles ausgraben, was Romneya coulteri heißt. Heißt: etliche Quadratmeter am Haus entlang ausschachten, dabei unsere Drainage (u.a. Kies) von der Gartenerde trennen, mindestens ein Meter tief. Denn ich wollte sie schon mal vermehren, bis in 40 cm Tiefe hatte sie noch keine einzige Wurzel…
So freue ich mich, daß Frühlingswetter ist und ich sämtliche Clematis, Staudenpäonien, Rosen, Iris, Goldlack und vor allem meine exotischeren Frühjahrsblüher vor der Grabeaktion in Sicherheit bringen kann:
Leider kann man ja Romneya coulteri nicht umpflanzen, sonst würde ich sämtlichen Leuten, die ich nicht leiden kann, einen Ableger schenken. Und doch, und doch…. sollte mir nicht eine einzige bleiben?? Die Umsetzaktion trotzdem überleben?? Aber wohin? Nass will sie nicht. An trockene Plätze darf sie nicht. Diese Plätze sind alle in Gebäudenähe: Scheune, Pavillon, Haus.

Blüte der Romneya coulteri
Muß denn Liebe so enden?

Berichtet im September des Jahres 2005

Erste zarte graugrüne Köpfe von überlebenden Romneyaresten mindestens einen Meter entfernt vom Fundament entdeckt. Ich bin sicher, sie hat sich geändert! Sie wird begriffen haben, dass das was sie tat, falsch war! Mit welcher Zartheit und mit welch bescheidenem Charme hat sie ihren kleinen Kopf aus der Erde gereckt. Ich werde ihr noch eine Chance geben. Ob sie es wohl über den Winter schafft? Vielleicht sollte ich sie ein wenig schützen….

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Rosenvermehrung: Lasst uns Rosenkinder machen!

Natürlich ist die Rosenvermehrung, die „Herstellung“ neuer Rosensorten, eine ernste, kostenintensive Arbeit für Profis. Dort werden hunderttausende Sämlinge pro Jahr gezogen, die vorher nach allen Regeln der Kunst künstlich befruchtet worden sind. Und von denen bleiben dann vielleicht etwa fünf Stück, die eine wirkliche, angemeldete und vermarktete neue Sorte werden. Deshalb denken wir Garten- und Rosenliebhaber doch schnell mal, Rosenvermehrung, das ist nichts für uns.
Meist ist es sogar noch schlimmer, was unter uns so gedacht wird – ich denke manchmal, mit den Rosenkindern ist es so wie mit der lila Kuh – daher kommt die Milchschokolade. Und Rosenkinder – keiner weiß woher die kommen und schon gar nicht, dass man sie genauso machen kann, wie man seine Radieschen und seinen Salat und seine Gretel im Grünen macht: durch aussäen!

Die Methoden zur Rosenvermehrung

Nun gibt es viele verschiedene Methoden, mit dem Säen zu verfahren. Man kann sich das vielleicht ähnlich vorstellen wie bei Gurken – manche säen sie einfach direkt ins vorbereitete Land im Freien und ernten dann, oder auch nicht, leckere Gurken. Andere ziehen ihre Gurken schon früh im Warmen vor, damit sie eine frühere Ernte erhalten. Wieder andere gar veredeln ihre kostbaren Gurken auf andere Unterlagen, um sie wüchsiger zu machen.
Solche Abstufungen, und zwar viele, gibt es natürlich auch beim Rosenaussäen. Zwei dieser Möglichkeiten möchte ich hier gern vorstellen, weil die eine leicht zu machen ist und Lust auf mehr macht und weil die andere schon etwas ernsthafter und intensiver ist. Sie wird diejenigen ansprechen, die es immer etwas genauer nehmen und einen kleinen Hang zum „Wenn, dann richtig“ haben. Für die Perfektionisten unter den zukünftigen Rosenschöpfern hier gibt es dann nur noch links…

Rosenvermehrung durch Hagebutten mit Potential

Also gut, es war einmal ein Frühling (ich denke es war etwa 1995) da ging ich zum Rosenschneiden in den Garten. Ich sah mir die zahlreichen Hagebutten an, die noch an den Enden der Zweige saßen. Ich hatte gerade Radieschen im Frühbeet gesät und Salat in Schalen und war noch voll im Aussat-Modus. Also gab ich meiner Neugier nach und pulte diese dunklen, eingeschrumpelten, aber etwas schmierigen Hagebutten aus. Es waren Hagebutten der Rose „Hansa“. Und da kamen tatsächlich zahlreiche Kerne zum Vorschein. Ich nahm die Kerne von 3-4 Hagebutten und säte sie in einem Gefäß aus, stellte es draußen in eine Ecke und hatte sie auch schon vergessen.

Hagebutten zur RosenvermehrungRosensamen zur Rosenvermehrung

Vier Wochen später, als ich mal wieder am Räumen war, fiel mir die Schale in die Hände. Ich nahm sie mit dem Rest der pikierten Salatpflanzen etc. ins ungeheizte Gewächshaus, denn wir haben in unserem Haus keinen so hellen und warmen Platz, dass es fürs Aussäen wirklich reichte. Ganze 5 Tage später keimte dort etwas in meiner Schale.

Was keimt denn da?

Da ich keine Aussaaterde genommen hatte und schon einmal beim Umräumen das gekeimte Unkraut entfernt hatte, war ich schnell versucht, dieses Unkraut auch auszumerzen. Aber in der Regel kenne ich meine keimenden Unkräuter. Dieses Gebilde jedoch hatte ich noch nie gesehen. Es hatte zwei dunkelgrüne, dicke, glänzende, gewölbte Keimblätter. Ich dachte, es könne – außer einer Rose – vielleicht ein Gehölzsämling sein. Beim noch genaueren Betrachten entdeckte ich die winzigkleinen stacheligen Härchen an den „Beinen“ des Sämlings. Sofort war ich der Überzeugung, dass es ein kleines Rosenkind sei. Und, was soll ich sagen: es stimmte ;-). Fünf weitere kleine Rosenkinder erblickten  das Licht der Welt in diesem Jahr, aber dann endete meine Fürsorge mit dem Ende der Aussat-Saison. Das Gefäß trocknete aus und es war vorbei mit der Rosenvermehrung.

Rosenbabies aus der Rosenvermehrung Rosenkeimling

Die kleinen Hansakinder wurden große Sträucher, zumindest zwei davon, die anderen waren schon davor meiner mangelnden Fürsorge, die auch aus dem Mangel an Platz entstanden war, zum Opfer gefallen. Nach Jahren habe ich die beiden Rosen verschenkt.

Anzuchtbeet zur Rosenvermehrung

Noch einfacher ist es, die Nüsschen im Freien auszusäen und feucht zu halten. Das sollte aber weniger im Gemüsebeet oder an anderen Plätzen, die dem Wandel unterliegen, geschehen, denn es kann durchaus sein, dass ein weiterer Teil der Nüsschen im darauf folgenden Jahr noch keimt.

Anzuchtbeet zur Rosenvermehrung Rosensämlinge

Als ich mehr Platz bekam bzw. mir einen zweiten Garten suchte, kam mir die Rosenvermehrung wieder in den Sinn. Ich hatte inzwischen so viele schöne, meist ungeschnitten gebliebene Rosen. Und alle kreuzten sich munter im Laufe der Blütezeit. Das ergab so viele potentielle, wunderschöne, nie geborene Rosenkinder! Ich dachte mir: Ach, dann versuche ich es doch noch einmal!
Nun waren hier auch etliche empfindlichere Rosen, Teehybriden zum Beispiel und öfterblühende Strauchrosen dabei.

Künstlicher Winter

Nun ist es so, dass im Laufe des Winters in den Hagebutten Stoffe gebildet werden, die die rasche Keimung der Rosennüsschen verhindern.

Dies kann man umgehen, indem man die Hagebutten, wenn sie reif sind oder wenigstens gut auf dem Wege der Reifung, im Herbst vor den ersten stärkeren Frösten erntet. Dann ein wenig kühl, nicht zu feucht und nicht zu trocken lagert, auspellt und die Nüsschen dann 4-6 Wochen bei ca. 4-8 Grad in den Kühlschrank legt. Damit (mit dieser sogenannten Stratifizierung) umgeht man die Freisetzung der keimhemmenden Stoffe, aber ermöglicht den zur Keimung häufig nötigen Kältereiz.

Im Kühlschrank haben sich bei mir zwei Verfahrensweisen bewährt. Die erste ist, in kleinen verschließbaren Dosen in ein Sand-Aussaaterde-Gemisch auszusäen und diese Dosen dann in den Kühlschrank zu stellen. In diesen Dosen können sie dann bis zum Pikieren weiterkultiviert werden. Dazu die Schalen einfach warm stellen, und nach der Keimung, auch hell. Die andere, platzsparendere Alternative, ist die von mit inzwischen hauptsächlich angewendete Methode. Dazu werden die verschiedenen Nüsschen in sehr wenig feuchten scharfen Sand gelegt. Und anschließend in einer kleinen, sorgfältig verschlossenen Plastiktüte im Kühlschrank verstaut. Bei beiden Methoden ist wichtig – regelmäßig zu untersuchen, ob nicht ein paar voreilige Keimlinge schon im dunklen Kühlschrank auf Licht warten.

Stachelbeinige Keimlinge

Sämlinge aus der Rosenvermehrung Rosensämlinge

Haben sich dann nach einigen Tagen oder Wochen die kleinen stachelbeinigen Nachkömmlinge eingestellt, sollte man sie vorsichtig pikieren. Der richtige Zeitpunkt ist, sobald sie nach den Keimblättern das erste Blattpaar schieben oder geschoben haben.

Bei schwachwachsenden Röschen bietet sich Topfkultur an, bis sie draußen alleine zurechtkommen. Wenn man sie im Freiland weiter beobachtet, kann man sie auspflanzen wenn sie etwa eine Größe von 10 cm erreicht haben.

Rosenvermehrung mit Topfkultur Rosensämling im Topf

Blühender RosensämlingNachkömmlinge von einmalblühenden Rosen wie Gallicas sind am einfachsten zu ziehen. Sie brauchen aber meist ein paar Jahre, bis sie blühen, manchmal sind sie auch schneller und blühen schon im zweiten Jahr. Ramblersämlinge sind sehr einfach zu ziehen, sie sind sehr fruchtbar, können aber zwischen 3 und 7 Jahren brauchen, bis sie das erste Mal blühen.
Bei Nachkommen von „Edelrosen“ kann man sich schon mal erschrecken, wie schnell das geht mit der Blüte.

Früh blüht, was eine „Edelrose“ werden will

Manchmal zeigen sie die erste Blüte, wenn sie gerade mal 10 cm hoch sind!

Noch ein Wort zur ersten Blüte oder zum ersten Blütenjahr. Die erste Blüte ist nur eine Andeutung davon, was einmal daraus werden kann. Die Farbe kann man erahnen, aber die Blüten sind z.B. meist weniger gefüllt als sie später sein werden.
Als letztes noch der Hinweis, dass die Chance, dass aus einem Nüsschen eine Rose wird, mit der Perfektion der Aussaat zunimmt. Also kann man sagen, je weniger Arbeit man sich macht, desto mehr Hagebutten sollte man nehmen. Ich schätze, dass bei dem Aussäen von einigermaßen robusten Rosen im Freiland bei gleicher Ausbeute gegenüber dem Aussäen im behüteten, desinfizierten, stratifizierten und antifungizierten Zustand etwa die doppelte Menge an Nüsschen nötig sind. Wenn Sie nach den ersten Erfolgen selber gezielt kreuzen wollen, wird es natürlich interessanter, diesen Aufwand zu betreiben. Da Sie dann eine erheblich geringere Menge an Hagebutten mit den gewollten Merkmalen haben müssen als wenn Sie es just for fun und mit Neugierde auf die Zufallssämlinge tun.

Etwas ganz Wichtiges noch zum Schluss. Hagebutten kann nur ernten, wer die auch mal die Finger von der Schere lässt, wenn er eine verblühte Rosenblüte sieht.

Und bei so prächtigen Hagebutten juckt es kann einem doch glatt in den Fingern mal zu schauen was wohl daraus wird, oder?

Hagebutten einer Moosrose Hagebutten

Und nun – viel Spaß bei der Rosenvermehrung!

Ich weiß ja nicht, wie Sie das sehen, aber – meine bisherigen Kinder werden ganz sicher keine ADR-Prüfung gewinnen. Und auch nicht als herausragende Neuzüchtungen prämiert werden. Aber ich finde sie natürlich wunderschön und manche können auch mit anderen gekauften Rosen, die ich habe, durchaus mithalten. Und wenn Sie einverstanden sind, zeige ich Ihnen noch ein paar Bilder aus meinem Rosenkinderfamilienalbum.

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Gartenbesucher und die peinlichen Bekenntnisse einer Gärtnerin aus Leidenschaft

Haben Sie einen Garten? Schön! Eines der schönsten und entspannendsten Hobbys, nicht wahr?! Haben Sie auch schon einmal Ihren Garten Gartenbesuchern geöffnet? Noch schöner!
Dann wissen Sie schon, dass bei allen Gartenfreunden das, was bei Ihnen wächst, entweder schöner blüht oder früher blüht oder größer ist oder viel gesünder natürlich ohne Pflege und Spritzen. Das ist bei allen Gartenfreunden so. Nur nicht bei denen, die finden, dass das, was sie nicht haben, aber gern hätten, bei einem selbst so gut wächst, eigentlich schon nicht mehr gut aussieht, weil zu üppig… usw.
Aber das ist doch nett! Das ist ein Austausch unter Freunden, mal ein bisschen Neid dabei, mal ein wenig Gekabbel – aber immer geht’s um die Sache. Das ist sehr angenehm und macht Spaß!
Aber wissen Sie, was mich fuchst, so wirklich richtig fuchsteufelswild macht?? Und… aber verstehen Sie mich nicht falsch, nicht alle Besucher tun es, beileibe nicht! Es tut höchstens jeder dritte. Oder die Hälfte. Jedenfalls nicht viel mehr als 75 Prozent der Besucher, also das – das fuchst mich! Wirklich! Ich KANNS nicht mehr hören, echt!! Sie verstehen nicht was ich meine?? Nun, dann… ja, dann werfen wir doch mal den Zufallsgenerator an und hören beliebig in meine, im Gedächtnis aufgezeichneten, Gespräche mit meinen Gartenbesuchern rein!

1. Tag des Offenen Gartens, anno…

  • 10.15 Uhr, wenige Minuten nach der allerersten Öffnung des Gartens für die Öffentlichkeit.
    1. Gast: Sie haben wirklich einen wunderschönen Garten! Das hatte ich ja so gar nicht erwartet!
    Leidenschaftliche Gärtnerin (strahlt): Oh, danke! (errötet zart)
    1. Gast: Das macht aber viel Arbeit!
    Leidenschaftliche Gärtnerin: Ach, wissen Sie, der Garten ist doch mein Hobby! Da macht man die Arbeit sehr gern! Man freut sich richtig drauf!
  • 10.29 Uhr
    3. Gast: Oh, ich bin so froh, dass ich mir Ihren wunderschönen Garten ansehen durfte!
    Leidenschaftliche Gärtnerin (lacht): Ach, ich freue mich doch, wenn es Ihnen gefällt!
    3. Gast: Das macht aber viel Arbeit!
    Leidenschaftliche Gärtnerin: Mir macht die Arbeit im Garten großen Spaß!
  • 12.03 Uhr
    27. Gast: So ein schöner Garten! Das ist aber auch sehr nett von Ihnen, dass Sie einen solchen Tag des Offenen Gartens in dieser Region ins Leben gerufen haben! Das habe ich mir schon lange mal gewünscht! Ich bin sonst immer sehr weit gefahren, um Gärten anzuschauen!
    Leidenschaftliche Gärtnerin (lächelt geschmeichelt): ja, das habe ich mir auch schon immer gewünscht, deshalb habe ich eben irgendwann selbst die Initiative ergriffen. Ich war selbst ganz erstaunt, wie viele Gärten in diesem Jahr schon geöffnet sind!
    27. Gast: Aber das macht ja sicher viel Arbeit!
    Leidenschaftliche Gärtnerin (etwas abwehrend): Ja, aber ich hoffe, dass es in den nächsten Jahren alles schon etwas eingespielt ist und weniger Zeit braucht.
    27. Gast: Ja, und das, obwohl Sie ja sicher mit Ihrem Garten soo viel Arbeit haben!
    Leidenschaftliche Gärtnerin (müde lächelnd): Nun, aber das ist ja keine Arbeit, das macht ja Spaß!
  • 15.47 Uhr
    218. Gast: Ich bin begeistert! Ich habe nie so schöne üppige Päonien gesehen wie bei Ihnen hier in dem weißen Beet dort hinten!
    Leidenschaftliche Gärtnerin (misstrauisch): Ja? Nun, die haben hier den richtigen Boden. Und werden in Ruhe gelassen, das brauchen sie.
    218. Gast: Welche Sorte ist das?
    Leidenschaftliche Gärtnerin (wirkt etwas erleichtert): Das ist die häufigste weiße Päonie, eine lactiflora, Festiva Maxima heißt sie. (hoffnungsvoll) Haben Sie auch Päonien?
    218. Gast: Nein. Ich habe nur einen sehr kleinen Garten und keine Zeit. Ihr Garten muss doch sehr viel Arbeit machen! Wie schaffen Sie das nur?
    Leidenschaftliche Gärtnerin ( etwas kurz angebunden): Nun, mir macht diese Arbeit eben Spaß.
  • 17.43 Uhr
    305. Gast: Sind Sie hier die Besitzerin? Das ist ja alles sehr beeindruckend hier! Da beneide ich Sie aber!
    Leidenschaftliche Gärtnerin (mechanisch): Das freut mich sehr, dass es Ihnen gefällt!
    305. Gast: Aber um Ihre viele Arbeit hier beneide ich Sie gar nicht!
    Leidenschaftliche Gärtnerin (schnippisch): Nun, da haben Sie und ich ja großes Glück gehabt, dass es nicht Ihr Garten ist, sondern meiner!

Jahre später,  5. Tag des Offenen Gartens, anno…

  • 10.08 Uhr
    5432. Gast: Ich bin jetzt zum 3. Mal hier in Ihrem Garten! Seit dem letzten Jahr haben Sie aber eine Menge Arbeit geleistet!
    Leidenschaftliche Gärtnerin (holt tief Luft, zieht ihre Mundwinkel nach oben und sagt nach einem gehauchten holden Lachansatz): Haben Sie nicht gesehen? Es gibt in diesem Jahr einige Neuerungen. Dort vorn ist ein großes Schild, das verbietet, nach dem Zeitaufwand für den Garten zu fragen und Bemerkungen über die Arbeit zu machen, die mein Garten kostet.
    5432. Gast (lacht etwas irritiert, aber klopft dann der Leidenschaftlichen Gärtnerin jovial auf die Schulter): Na, Sie sind mir ja eine! (geht ab und man hört ihn noch rufen): Gerda, Liebling, hast Du gehört? Nun ist in diesem Garten auch noch alles beschildert! Ist doch toll, was die sich für eine Arbeit machen!
  • 13.09 Uhr
    5973. Besucherin: Ihr Garten ist so üppig und voll! Und alles blüht!
    Leidenschaftliche Gärtnerin (nachsichtig mit sich selbst): Ja, ich weiß, eher eine manische Pflanzensammlung als ein auf Wirkung angelegter Garten.
    5973. Besucherin (neigt maliziös ihr Haupt und blickt vielsagend hinter eine Buchshecke auf ein paar blühende Gierschpflanzen): Und macht so viel Arbeit!
    Leidenschaftliche Gärtnerin (bekommt einen fiesen Gesichtsausdruck und sagt gönnerhaft): Nun, aber das dort ist ein Aegopodium podagraria; zwar eine sehr schöne zarte Blühpflanze, aber sehr robust und ein verlässlicher Bodendecker! Völlig pflegeleicht! Macht gar keine Arbeit!
    5973. Besucherin (verwirrt): Ach, und ich dachte, es sei Giersch!
    Leidenschaftliche Gärtnerin: Ach, wirklich? DAS dachten Sie? (lässt ein überlegenes, gönnerhaftes Lachen ertönen und geht leise vor sich hin schimpfend ab)
  • 17.35 Uhr
    6208. Gast: Wenn ich durch Ihren Garten gehe, sehe ich immer nur voll Hochachtung die ganze Arbeit, die Sie hier leisten!
    Leidenschaftliche Gärtnerin (schnippisch): Ach ja? Dabei bildete ich mir ein, es gäbe hier auch Blumen und Blätter und Rasen und Bäume! Hätte ich Sie nicht heute zu Besuch gehabt, würde ich das immer noch glauben! Also vielen Dank, dass Sie mir die Augen geöffnet haben!

Dann irgendwann änderte sich einiges: Ein zweiter Spruch kam hinzu. Denn inzwischen habe ich nicht nur einen Garten und einen Rosengarten, sondern lege einen 1,4 Hektar großen Rosenpark an. Dieser ist sehr einsichtig und an zwei Seiten führen frequentierte Spazierwege vorbei. Ich sehe zu, dass ich möglichst diesen Wegen nicht zu nahe komme. Denn die Auswirkungen sind unvermeidlich und fast immer gleich:

  • 1354. Spaziergänger (formt mit den Händen ein komplettes grammophontrichtergroßes Schreirohr): He! Hallo, Sie da!!!
    Leidenschaftliche Gärtnerin (lässt resigniert ihre Hacke sinken und trottet näher an den Zaun am Weg): Ja? Was kann ich für Sie tun?
    1354. Spaziergänger: Was wird denn das hier?
    Leidenschaftliche Gärtnerin ( holt tief Luft): Wonach sieht’s denn aus?
    1354. Spaziergänger: Na, nach einem Park oder einer Gärtnerei!
    Leidenschaftliche Gärtnerin (lächelt wie eine glückliche Mutter, deren jüngstes Kleinkind gerade das erste Mal erfolgreich auf dem Töpfchen war): Aber ganz genau! Wie recht Sie haben!
    1354. Spaziergänger: (blickt – wie ein Gutsherr über sein Heu und seine Leibeigenen – auf das Rosenparkgelände hinunter und zieht die Nase hoch): Na, macht aber viel Arbeit!
    Leidenschaftliche Gärtnerin (reißt ihre grünen Augen auf bis zum Anschlag und sagt, sich ungläubig umsehend, nachdem sie ihren offen stehenden Mund wieder geschlossen hat): Meinen Sie wirklich?? Ich weiß nicht recht! Das wäre mir sicher aufgefallen!
  • 1713. Spaziergängerin mit Hund (winkt wedelnd und ausdauernd mit den Armen um Aufmerksamkeit zu erregen): He! Hallo! Sie da hinten!!!
    Leidenschaftliche Gärtnerin (klopft sich im Näherkommen Erdklumpen von der dreckstarrenden Hose): Guten Tag! Was kann ich für Sie tun??
    1713. Spaziergängerin mit Hund: Sagen Sie mal – was ist denn das hier? Als ich das letzte Mal hier vorbeigekommen bin, war hier noch gar nichts! Glauben Sie mir!
    Leidenschaftliche Gärtnerin (bockig): Doch, hier war schon was. Hier war Wiese.
    1713. Spaziergängerin mit Hund (zieht eine Augenbraue hoch): Na ja. – Sie haben hier sicher auch schwer zu arbeiten. Das ganze Unkraut!
    Leidenschaftliche Gärtnerin (stützt sich auf den mitgebrachten Spaten und fixiert die 1713. Spaziergängerin): Och, nö, muss nich viel tun heute. Chefin ist grad nicht an der Arbeit! Und das Unkraut wächst ganz von alleine….
    1713. Spaziergängerin mit Hund (spitz): Nun, dann passen Sie mal auf, dass Ihre Chefin Sie nicht beim Rumtratschen erwischt! Dafür werden Sie ja sicher nicht bezahlt! (geht hoch erhobenen Hauptes ab)
  • 2390. Spaziergänger mit Wanderstab: Hallo! Darf ich Sie mal was fragen?
    Leidenschaftliche Gärtnerin (im Näherkommen leise murmelnd: heut ist ein guter Tag, heut ist ein guter Tag, heut ist..dann strahlend.): Aber sicher doch! Was möchten Sie denn wissen?
    2390. Spaziergänger mit Wanderstab: Das sieht hier ja aus wie ein Park! Was ist denn das hier?
    Leidenschaftliche Gärtnerin (atmet dreimal langsam ein und aus): Nun, das ist ein Park! Ein Rosenpark. Oder zumindest wird es mal einer.
    2390. Spaziergänger mit Wanderstab (schüttelt fassungslos den Kopf): Das muß aber viel Arbeit machen! Das war letztes Mal, als ich hier langging – das war übrigens, lassen Sie mich mal nachdenken…vor 3, nein, 4 Jahren. Obwohl – da lebte meine Frau noch, da kann es doch noch nicht so lange – wissen Sie, da waren hier Pferde. Ich weiß das noch weil ich an diesem Tag – oder nein, war das schon das Mal davor…[…] …12.17 Uhr…. da war auch ein solch schöner Tag wie heute – obwohl, nun regnet’s ja schon wieder_ jedenfalls als ich damals – was wollte ich noch gerade sagen, ach ja, …
    Leidenschaftliche Gärtnerin (vertritt ungeduldig ihre vom Stehen schmerzenden Füße, während ihr der Regen an den Wangen herunterläuft):
    2390. Spaziergänger, mit Wanderstab: also meine Frau die lebte da noch und…[…] 13.39 Uhr…. ist ja immer so eine Sache bei einer Wanderung, man wird ja oft aufgehalten, die Leute sind ja immer alle so neugierig und wollen immer alles ganz genau wissen…
    Leidenschaftliche Gärtnerin (reißt ihre Augen auf und ihre eingesunkenen Füße aus dem inzwischen vom Regen wabbeligen Lehmboden und sich aus der Apathie und ergreift die Gelegenheit…): na, das ist doch auch kein Wunder. Sie erzählen ja so kurzweilig und spannend! Da könnte man Ihnen auch noch lange zuhören! Leider muss ich – äh – jetzt ganz schnell meine Mitarbeiter kontrollieren (blickt sich verloren um) na, sehen Sie, sie sind ja gar nicht mehr DA! Da muss ich aber gaanz schnell mal nachsehen gehen, machen Sie’s gut, bis nächstes Mal, ich muss leider… (winkt im hastigen Davonstiefeln unbestimmt hinter sich zum Abschied)
    2390. Spaziergänger, mit Wanderstab (noch schwach aus dem Off zu vernehmen): Aber sagen Sie mir doch endlich einmal – was IST denn das hier??
  • 3175. Spaziergänger: Hallo! Das ist hier aber neu! Was ist das?
    Leidenschaftliche Gärtnerin (mechanisch): Das wird ein Rosenpark.
    3175. Spaziergänger (nickt bedeutungsvoll mit dem grauen Haupt): Das macht aber viel Arbeit!
    Leidenschaftliche Gärtnerin: Ja.
  • Leidenschaftliche Gärtnerin (vor ihrem neuen Rosenpark im Auto sitzend, die Wange auf das abgeknickte Handgelenk gestützt) : Ich mache doch da was falsch! Von anderen Gärten höre ich nie so was! Da höre ich, dass er groß ist, dass er viele Schattenpflanzen hat, dass viel Deko da ist, dass die Gestaltung phänomenal ist, dass so viel blüht… (zieht die Nase hoch) dass man zu dieser oder jener Zeit unbedingt hin muss… (schluchzt dreimal auf) mein Garten ist grässlich! (haut mit der Hand auf das Lenkrad) Was soll das alles überhaupt noch? Keinem gefällt es, die Wühlmäuse fressen die Rosen, die nahegelegene Kanalisation duftet mehr als die Rosen (ihr Mund wird zu einem Strich, sie richtet sich entschlossen auf) ich pflüg’s wieder um! Es erfüllt seinen Zweck nicht! Keiner mag’s leiden!! (sie steigt entschlossen aus dem Auto und blickt über den Rosenpark) Ich auch nicht!!! (tätigt einen Anruf beim Bauern),
    dann…..
    3524. Spaziergängerin (direkt vor ihrer Nase stehend): Hallo, wie schön, dass ich Sie mal treffe! Ich wollte Ihnen schon immer mal sagen…
    Leidenschaftliche Gärtnerin (ungeduldig und genervt, in Zerstörungsplanungen vertieft, macht eine herrische Bewegung mit der Hand in ihre Richtung): Ja, ich weiß…
    3524. Spaziergängerin (lachend): Dass es mir gefällt? Das ist auch sicher nicht schwer zu erraten (kichert vergnügt)
    Leidenschaftliche Gärtnerin (lauernd): Ja, und es macht viel Arbeit!
    3524. Spaziergängerin (lacht hell auf): Ja, und was muss das für eine wundervolle Arbeit sein, hier an der frischen Luft; die Vögel singen, die Rosen wachsen so, dass man ihnen täglich beim Wachsen zusehen kann und jeder Sonnenstrahl, der vom Himmel kommt, trifft auf diesem wunderschönen Platz, Sie und Ihre Rosen! Beneidenswert! Ich freue mich schon sehr auf die Eröffnung! Bin ganz gespannt, von Ihnen zu hören, was hier alles so wächst! (sie strahlt, wirft noch einen Blick übers Areal und geht hurtigen Schrittes davon)
    Leidenschaftliche Gärtnerin (bekommt kein Wort heraus, weil sie mit offenem Mund dasteht; äußerlich ohne Bewegung, steht sie da. Aber innerlich erscheint plötzlich Rumpelstilzchen und zerreißt sie von unten bis oben und aus dem Kopf heraus springt – eine Satire! Sie heißt: Die peinlichen Bekenntnisse einer Gärtnerin aus Leidenschaft und sie ist eine schlechte Satire: sie hat eine Botschaft!)

Und nun wünsche ich Ihnen für das nächste Jahr viele schöne Gartenbesuche!

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Der Mann kann alles!

Der Mann kann alles! Er kann Rasen mähen! Und das tut er auch. Er kann auch andere Sachen! Er kann zum Beispiel Buchsumrandungen abmähen; und Solitärsträucher im Rasen. Und die besten Frühjahrsblüher. Und beetbegrenzende Bodendeckerrosen oder Heiligenkraut, die plötztlich in die Rasenmäherbahn springen.

Er kann aber auch graben! Er kann wunderbar Gemüsebeete umgraben; dabei ist er aber sehr vorsichtig und pflanzenerhaltend. Er gräbt nur die Schnittlauchumrandungen aus und bringt sie zum Kompost. Nicht aber rührt er die Quecken an oder den Löwenzahn am Beetrand oder die Windenwurzeln oder Giersch;. da ist er sehr vorsichtig und gräbt entweder drumherum oder er sorgt für den Pflanzenerhalt und die Vermehrung, indem er sämtliche Wurzeln durch Stechen mit dem Spaten zu Wurzelschnittlingen macht. So sorgt er für die Vielfalt der Kräuter im Garten.

Der Mann kann sehr schnell ein Beet umgraben; er kann aber noch etwas: er kann nicht verstehen, daß eine Frau zum Aussäen dann so eine lange Zeit verplempert! Statt schnell die Saat in die Erde zu bringen, fisselt sie noch lange im Beet herum und harkt alle von ihm untergegrabenen Kräuter heraus. Das nennt sie dann Saatbettbereitung! Frauen können eben keine Prioritäten setzen!
Das Mann ist für das Grobe zuständig. Er entfernt zu groß gewordene Sträucher; da er effektiv arbeitet, kann er nicht noch auf die Unterpflanzung oder auf angrenzende Beete achten. Natürlich wird dort alles zertreten. Was pflanzen Frauen auch alles voll! Nur dort, wo sich Unkraut breitmacht, könnte sie ja mal ein paar mehr Stauden pflanzen.

 

Aber nein, sie muß ja alles dort hinpflanzen, wo ein Mann nach anstrengender Gartenarbeit gut mal stehen kann und mit dem Nachbarn übern Gartenzaun ein paar Biere trinken.
Ein Mann kann auch mal aufmerksam sein und ihr bei ihrer Arbeit im Garten helfen; Gemüsebeete hacken zum Beispiel. Das ist ja völlig einfach und deshalb eigentlich Frauenarbeit. Aber da kann mann in der Sonne stehen, braun werden und seinen Bizeps stählen, deshalb kann er es mal machen. Natürlich muß sie hinterher wieder meckern; und keifen, er hätte die drei Gurken und den Salat stehen lassen sollen, nicht die Vogelmiere. Wenn sie alles besser weiß, soll sie es doch gleich allein machen!
Überhaupt kann mann auch ohne Anweisungen auskommen! Schließlich ist mann doch auch Gartenbesitzer und kann mitbestimmen! Bringt er schon mal eine Forsythie mit und gräbt sie auch noch ein, regt sie sich wieder auf, er habe alle teuren Leberblümchen und Fritillarien zerstochen und untergegraben. Was kauft sie auch so teures Zeug! Er bringt nur das Billigste an und der Garten sieht trotzdem wunderbar aus!

Der Mann kann auch Löcher graben für irgendwas, was sie mal wieder gekauft hat. Stachliges Zeug, Rosen oder so. Er kann es so gut, daß er mal schnell den Spatenstiel abbricht, weil eine Baumwurzel im Weg war. So kann er schnell gehen und die Früchte seiner Arbeit reparieren. Denn auch das kann der Mann! Ohne ihn würde ständig sämtliches Gartengerät kaputt sein. Er kann es so schnell reparieren, daß sie noch immer mit ihrem lächerlichen Unkrautstecher das Loch buddelt für die Rose und mit einer Kleinstsäge dann noch im Loch hantiert. Immer brauchen Frauen für die einfachsten Aufgaben lächerlich lange.
Allerdings kann man jetzt nicht mehr mit dem Spaten Löcher graben, denn der Stiel hält nicht mehr gut. Aber wozu braucht sie denn auch einen Spaten? Fürs Grobe ist doch er zuständig!

Der Mann kann noch etwas: es nicht haben, wenn andere Männer etwas vorführen, was ihre Frauen im Garten haben und sie hat es nicht gepflanzt. Warum nicht? Das ganze gemeinsame Geld gibt sie aus, aber die wirklich wichtigen Pflanzen, die was hermachen, stehen immer bei anderen im Garten!

Der Mann kann auch Freunde, Bekannte, Nachbarn und die ganze Großfamilie durch seinen Garten führen. Wenn sie an blühenden Beeten, gelungenen Arrangements, Raritäten und dem appetitlichen Gemüsegarten vorbeikommen, schweigt er als Kenner und läßt genießen. Er kann auch gezielt im Vorbeigehen erzählen, was er mal eben gemacht hat. Er kann so wunderbar den Eindruck erwecken, alle Gartenarbeit zu erledigen. Er kann aber auch anders. Er kann auch sagen, daß seine Frau ihm im Garten hilft und weist auf die welkende, von Wühlmäusen abgebissene Rose und auf den von Schnecken angefressenen Salat.

Wenn eine Frau im Garten wirklich was kann, so kann sie ihren Mann aus dem Garten fernhalten oder ihm auf seinem Rasen einen Liegestuhl aufstellen mit einem kühlen Bier daneben.
Denn dann kann sie beruhigt und inspiriert an die Gartenarbeit gehen.