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Gartenbesucher und die peinlichen Bekenntnisse einer Gärtnerin aus Leidenschaft

Haben Sie einen Garten? Schön! Eines der schönsten und entspannendsten Hobbys, nicht wahr?! Haben Sie auch schon einmal Ihren Garten Gartenbesuchern geöffnet? Noch schöner!
Dann wissen Sie schon, dass bei allen Gartenfreunden das, was bei Ihnen wächst, entweder schöner blüht oder früher blüht oder größer ist oder viel gesünder natürlich ohne Pflege und Spritzen. Das ist bei allen Gartenfreunden so. Nur nicht bei denen, die finden, dass das, was sie nicht haben, aber gern hätten, bei einem selbst so gut wächst, eigentlich schon nicht mehr gut aussieht, weil zu üppig… usw.
Aber das ist doch nett! Das ist ein Austausch unter Freunden, mal ein bisschen Neid dabei, mal ein wenig Gekabbel – aber immer geht’s um die Sache. Das ist sehr angenehm und macht Spaß!
Aber wissen Sie, was mich fuchst, so wirklich richtig fuchsteufelswild macht?? Und… aber verstehen Sie mich nicht falsch, nicht alle Besucher tun es, beileibe nicht! Es tut höchstens jeder dritte. Oder die Hälfte. Jedenfalls nicht viel mehr als 75 Prozent der Besucher, also das – das fuchst mich! Wirklich! Ich KANNS nicht mehr hören, echt!! Sie verstehen nicht was ich meine?? Nun, dann… ja, dann werfen wir doch mal den Zufallsgenerator an und hören beliebig in meine, im Gedächtnis aufgezeichneten, Gespräche mit meinen Gartenbesuchern rein!

1. Tag des Offenen Gartens, anno…

  • 10.15 Uhr, wenige Minuten nach der allerersten Öffnung des Gartens für die Öffentlichkeit.
    1. Gast: Sie haben wirklich einen wunderschönen Garten! Das hatte ich ja so gar nicht erwartet!
    Leidenschaftliche Gärtnerin (strahlt): Oh, danke! (errötet zart)
    1. Gast: Das macht aber viel Arbeit!
    Leidenschaftliche Gärtnerin: Ach, wissen Sie, der Garten ist doch mein Hobby! Da macht man die Arbeit sehr gern! Man freut sich richtig drauf!
  • 10.29 Uhr
    3. Gast: Oh, ich bin so froh, dass ich mir Ihren wunderschönen Garten ansehen durfte!
    Leidenschaftliche Gärtnerin (lacht): Ach, ich freue mich doch, wenn es Ihnen gefällt!
    3. Gast: Das macht aber viel Arbeit!
    Leidenschaftliche Gärtnerin: Mir macht die Arbeit im Garten großen Spaß!
  • 12.03 Uhr
    27. Gast: So ein schöner Garten! Das ist aber auch sehr nett von Ihnen, dass Sie einen solchen Tag des Offenen Gartens in dieser Region ins Leben gerufen haben! Das habe ich mir schon lange mal gewünscht! Ich bin sonst immer sehr weit gefahren, um Gärten anzuschauen!
    Leidenschaftliche Gärtnerin (lächelt geschmeichelt): ja, das habe ich mir auch schon immer gewünscht, deshalb habe ich eben irgendwann selbst die Initiative ergriffen. Ich war selbst ganz erstaunt, wie viele Gärten in diesem Jahr schon geöffnet sind!
    27. Gast: Aber das macht ja sicher viel Arbeit!
    Leidenschaftliche Gärtnerin (etwas abwehrend): Ja, aber ich hoffe, dass es in den nächsten Jahren alles schon etwas eingespielt ist und weniger Zeit braucht.
    27. Gast: Ja, und das, obwohl Sie ja sicher mit Ihrem Garten soo viel Arbeit haben!
    Leidenschaftliche Gärtnerin (müde lächelnd): Nun, aber das ist ja keine Arbeit, das macht ja Spaß!
  • 15.47 Uhr
    218. Gast: Ich bin begeistert! Ich habe nie so schöne üppige Päonien gesehen wie bei Ihnen hier in dem weißen Beet dort hinten!
    Leidenschaftliche Gärtnerin (misstrauisch): Ja? Nun, die haben hier den richtigen Boden. Und werden in Ruhe gelassen, das brauchen sie.
    218. Gast: Welche Sorte ist das?
    Leidenschaftliche Gärtnerin (wirkt etwas erleichtert): Das ist die häufigste weiße Päonie, eine lactiflora, Festiva Maxima heißt sie. (hoffnungsvoll) Haben Sie auch Päonien?
    218. Gast: Nein. Ich habe nur einen sehr kleinen Garten und keine Zeit. Ihr Garten muss doch sehr viel Arbeit machen! Wie schaffen Sie das nur?
    Leidenschaftliche Gärtnerin ( etwas kurz angebunden): Nun, mir macht diese Arbeit eben Spaß.
  • 17.43 Uhr
    305. Gast: Sind Sie hier die Besitzerin? Das ist ja alles sehr beeindruckend hier! Da beneide ich Sie aber!
    Leidenschaftliche Gärtnerin (mechanisch): Das freut mich sehr, dass es Ihnen gefällt!
    305. Gast: Aber um Ihre viele Arbeit hier beneide ich Sie gar nicht!
    Leidenschaftliche Gärtnerin (schnippisch): Nun, da haben Sie und ich ja großes Glück gehabt, dass es nicht Ihr Garten ist, sondern meiner!

Jahre später,  5. Tag des Offenen Gartens, anno…

  • 10.08 Uhr
    5432. Gast: Ich bin jetzt zum 3. Mal hier in Ihrem Garten! Seit dem letzten Jahr haben Sie aber eine Menge Arbeit geleistet!
    Leidenschaftliche Gärtnerin (holt tief Luft, zieht ihre Mundwinkel nach oben und sagt nach einem gehauchten holden Lachansatz): Haben Sie nicht gesehen? Es gibt in diesem Jahr einige Neuerungen. Dort vorn ist ein großes Schild, das verbietet, nach dem Zeitaufwand für den Garten zu fragen und Bemerkungen über die Arbeit zu machen, die mein Garten kostet.
    5432. Gast (lacht etwas irritiert, aber klopft dann der Leidenschaftlichen Gärtnerin jovial auf die Schulter): Na, Sie sind mir ja eine! (geht ab und man hört ihn noch rufen): Gerda, Liebling, hast Du gehört? Nun ist in diesem Garten auch noch alles beschildert! Ist doch toll, was die sich für eine Arbeit machen!
  • 13.09 Uhr
    5973. Besucherin: Ihr Garten ist so üppig und voll! Und alles blüht!
    Leidenschaftliche Gärtnerin (nachsichtig mit sich selbst): Ja, ich weiß, eher eine manische Pflanzensammlung als ein auf Wirkung angelegter Garten.
    5973. Besucherin (neigt maliziös ihr Haupt und blickt vielsagend hinter eine Buchshecke auf ein paar blühende Gierschpflanzen): Und macht so viel Arbeit!
    Leidenschaftliche Gärtnerin (bekommt einen fiesen Gesichtsausdruck und sagt gönnerhaft): Nun, aber das dort ist ein Aegopodium podagraria; zwar eine sehr schöne zarte Blühpflanze, aber sehr robust und ein verlässlicher Bodendecker! Völlig pflegeleicht! Macht gar keine Arbeit!
    5973. Besucherin (verwirrt): Ach, und ich dachte, es sei Giersch!
    Leidenschaftliche Gärtnerin: Ach, wirklich? DAS dachten Sie? (lässt ein überlegenes, gönnerhaftes Lachen ertönen und geht leise vor sich hin schimpfend ab)
  • 17.35 Uhr
    6208. Gast: Wenn ich durch Ihren Garten gehe, sehe ich immer nur voll Hochachtung die ganze Arbeit, die Sie hier leisten!
    Leidenschaftliche Gärtnerin (schnippisch): Ach ja? Dabei bildete ich mir ein, es gäbe hier auch Blumen und Blätter und Rasen und Bäume! Hätte ich Sie nicht heute zu Besuch gehabt, würde ich das immer noch glauben! Also vielen Dank, dass Sie mir die Augen geöffnet haben!

Dann irgendwann änderte sich einiges: Ein zweiter Spruch kam hinzu. Denn inzwischen habe ich nicht nur einen Garten und einen Rosengarten, sondern lege einen 1,4 Hektar großen Rosenpark an. Dieser ist sehr einsichtig und an zwei Seiten führen frequentierte Spazierwege vorbei. Ich sehe zu, dass ich möglichst diesen Wegen nicht zu nahe komme. Denn die Auswirkungen sind unvermeidlich und fast immer gleich:

  • 1354. Spaziergänger (formt mit den Händen ein komplettes grammophontrichtergroßes Schreirohr): He! Hallo, Sie da!!!
    Leidenschaftliche Gärtnerin (lässt resigniert ihre Hacke sinken und trottet näher an den Zaun am Weg): Ja? Was kann ich für Sie tun?
    1354. Spaziergänger: Was wird denn das hier?
    Leidenschaftliche Gärtnerin ( holt tief Luft): Wonach sieht’s denn aus?
    1354. Spaziergänger: Na, nach einem Park oder einer Gärtnerei!
    Leidenschaftliche Gärtnerin (lächelt wie eine glückliche Mutter, deren jüngstes Kleinkind gerade das erste Mal erfolgreich auf dem Töpfchen war): Aber ganz genau! Wie recht Sie haben!
    1354. Spaziergänger: (blickt – wie ein Gutsherr über sein Heu und seine Leibeigenen – auf das Rosenparkgelände hinunter und zieht die Nase hoch): Na, macht aber viel Arbeit!
    Leidenschaftliche Gärtnerin (reißt ihre grünen Augen auf bis zum Anschlag und sagt, sich ungläubig umsehend, nachdem sie ihren offen stehenden Mund wieder geschlossen hat): Meinen Sie wirklich?? Ich weiß nicht recht! Das wäre mir sicher aufgefallen!
  • 1713. Spaziergängerin mit Hund (winkt wedelnd und ausdauernd mit den Armen um Aufmerksamkeit zu erregen): He! Hallo! Sie da hinten!!!
    Leidenschaftliche Gärtnerin (klopft sich im Näherkommen Erdklumpen von der dreckstarrenden Hose): Guten Tag! Was kann ich für Sie tun??
    1713. Spaziergängerin mit Hund: Sagen Sie mal – was ist denn das hier? Als ich das letzte Mal hier vorbeigekommen bin, war hier noch gar nichts! Glauben Sie mir!
    Leidenschaftliche Gärtnerin (bockig): Doch, hier war schon was. Hier war Wiese.
    1713. Spaziergängerin mit Hund (zieht eine Augenbraue hoch): Na ja. – Sie haben hier sicher auch schwer zu arbeiten. Das ganze Unkraut!
    Leidenschaftliche Gärtnerin (stützt sich auf den mitgebrachten Spaten und fixiert die 1713. Spaziergängerin): Och, nö, muss nich viel tun heute. Chefin ist grad nicht an der Arbeit! Und das Unkraut wächst ganz von alleine….
    1713. Spaziergängerin mit Hund (spitz): Nun, dann passen Sie mal auf, dass Ihre Chefin Sie nicht beim Rumtratschen erwischt! Dafür werden Sie ja sicher nicht bezahlt! (geht hoch erhobenen Hauptes ab)
  • 2390. Spaziergänger mit Wanderstab: Hallo! Darf ich Sie mal was fragen?
    Leidenschaftliche Gärtnerin (im Näherkommen leise murmelnd: heut ist ein guter Tag, heut ist ein guter Tag, heut ist..dann strahlend.): Aber sicher doch! Was möchten Sie denn wissen?
    2390. Spaziergänger mit Wanderstab: Das sieht hier ja aus wie ein Park! Was ist denn das hier?
    Leidenschaftliche Gärtnerin (atmet dreimal langsam ein und aus): Nun, das ist ein Park! Ein Rosenpark. Oder zumindest wird es mal einer.
    2390. Spaziergänger mit Wanderstab (schüttelt fassungslos den Kopf): Das muß aber viel Arbeit machen! Das war letztes Mal, als ich hier langging – das war übrigens, lassen Sie mich mal nachdenken…vor 3, nein, 4 Jahren. Obwohl – da lebte meine Frau noch, da kann es doch noch nicht so lange – wissen Sie, da waren hier Pferde. Ich weiß das noch weil ich an diesem Tag – oder nein, war das schon das Mal davor…[…] …12.17 Uhr…. da war auch ein solch schöner Tag wie heute – obwohl, nun regnet’s ja schon wieder_ jedenfalls als ich damals – was wollte ich noch gerade sagen, ach ja, …
    Leidenschaftliche Gärtnerin (vertritt ungeduldig ihre vom Stehen schmerzenden Füße, während ihr der Regen an den Wangen herunterläuft):
    2390. Spaziergänger, mit Wanderstab: also meine Frau die lebte da noch und…[…] 13.39 Uhr…. ist ja immer so eine Sache bei einer Wanderung, man wird ja oft aufgehalten, die Leute sind ja immer alle so neugierig und wollen immer alles ganz genau wissen…
    Leidenschaftliche Gärtnerin (reißt ihre Augen auf und ihre eingesunkenen Füße aus dem inzwischen vom Regen wabbeligen Lehmboden und sich aus der Apathie und ergreift die Gelegenheit…): na, das ist doch auch kein Wunder. Sie erzählen ja so kurzweilig und spannend! Da könnte man Ihnen auch noch lange zuhören! Leider muss ich – äh – jetzt ganz schnell meine Mitarbeiter kontrollieren (blickt sich verloren um) na, sehen Sie, sie sind ja gar nicht mehr DA! Da muss ich aber gaanz schnell mal nachsehen gehen, machen Sie’s gut, bis nächstes Mal, ich muss leider… (winkt im hastigen Davonstiefeln unbestimmt hinter sich zum Abschied)
    2390. Spaziergänger, mit Wanderstab (noch schwach aus dem Off zu vernehmen): Aber sagen Sie mir doch endlich einmal – was IST denn das hier??
  • 3175. Spaziergänger: Hallo! Das ist hier aber neu! Was ist das?
    Leidenschaftliche Gärtnerin (mechanisch): Das wird ein Rosenpark.
    3175. Spaziergänger (nickt bedeutungsvoll mit dem grauen Haupt): Das macht aber viel Arbeit!
    Leidenschaftliche Gärtnerin: Ja.
  • Leidenschaftliche Gärtnerin (vor ihrem neuen Rosenpark im Auto sitzend, die Wange auf das abgeknickte Handgelenk gestützt) : Ich mache doch da was falsch! Von anderen Gärten höre ich nie so was! Da höre ich, dass er groß ist, dass er viele Schattenpflanzen hat, dass viel Deko da ist, dass die Gestaltung phänomenal ist, dass so viel blüht… (zieht die Nase hoch) dass man zu dieser oder jener Zeit unbedingt hin muss… (schluchzt dreimal auf) mein Garten ist grässlich! (haut mit der Hand auf das Lenkrad) Was soll das alles überhaupt noch? Keinem gefällt es, die Wühlmäuse fressen die Rosen, die nahegelegene Kanalisation duftet mehr als die Rosen (ihr Mund wird zu einem Strich, sie richtet sich entschlossen auf) ich pflüg’s wieder um! Es erfüllt seinen Zweck nicht! Keiner mag’s leiden!! (sie steigt entschlossen aus dem Auto und blickt über den Rosenpark) Ich auch nicht!!! (tätigt einen Anruf beim Bauern),
    dann…..
    3524. Spaziergängerin (direkt vor ihrer Nase stehend): Hallo, wie schön, dass ich Sie mal treffe! Ich wollte Ihnen schon immer mal sagen…
    Leidenschaftliche Gärtnerin (ungeduldig und genervt, in Zerstörungsplanungen vertieft, macht eine herrische Bewegung mit der Hand in ihre Richtung): Ja, ich weiß…
    3524. Spaziergängerin (lachend): Dass es mir gefällt? Das ist auch sicher nicht schwer zu erraten (kichert vergnügt)
    Leidenschaftliche Gärtnerin (lauernd): Ja, und es macht viel Arbeit!
    3524. Spaziergängerin (lacht hell auf): Ja, und was muss das für eine wundervolle Arbeit sein, hier an der frischen Luft; die Vögel singen, die Rosen wachsen so, dass man ihnen täglich beim Wachsen zusehen kann und jeder Sonnenstrahl, der vom Himmel kommt, trifft auf diesem wunderschönen Platz, Sie und Ihre Rosen! Beneidenswert! Ich freue mich schon sehr auf die Eröffnung! Bin ganz gespannt, von Ihnen zu hören, was hier alles so wächst! (sie strahlt, wirft noch einen Blick übers Areal und geht hurtigen Schrittes davon)
    Leidenschaftliche Gärtnerin (bekommt kein Wort heraus, weil sie mit offenem Mund dasteht; äußerlich ohne Bewegung, steht sie da. Aber innerlich erscheint plötzlich Rumpelstilzchen und zerreißt sie von unten bis oben und aus dem Kopf heraus springt – eine Satire! Sie heißt: Die peinlichen Bekenntnisse einer Gärtnerin aus Leidenschaft und sie ist eine schlechte Satire: sie hat eine Botschaft!)

Und nun wünsche ich Ihnen für das nächste Jahr viele schöne Gartenbesuche!