Romneya coulteri – Kalifornischer Baummohn
Eine Liebesgeschichte mit Romneya coulteri in der Hauptrolle. Wo man sie pflanzen sollte und wo, bei aller Liebe, besser nicht.
Ein Fortsetzungsroman in gebrochenen Bildern.
Oder auch: Ein Drama in vier Akten, geschrieben von Karin Schade, hier auch sonnenschein genannt.
Erster Akt: Der Anfang im Jahr 2003
Es war einmal ein Bild in einem Buch. Das zeigte eine wunderschöne Blüte, weiß, mit einem gelben Staubpuschel drinnen. Dieses Blütenbild ließ Blätter erahnen, die waren ganz entzückend blaugraugrün. In dieses Bild verliebte sich der sonnenschein, als er noch nicht einmal ein solcher war, jedenfalls nicht internetoffiziell.
Der ersten Ausflug in das Internet wurde also unternommen, um sich auf die Suche nach einer weißen Blüte mit dem gelben Puschel zu machen. Aber auch intensive Suche brachte niemanden hervor, der sagen konnte, wo diese Pflanze zu bekommen war. Sehnsüchtig betrachtete daher der sonnenschein immer wieder dieses Bild. Und pflegte weiterhin die große Hoffnung im Herzen, die wunderschöne Blüte würde ihm eines Tages begegnen.
Ein Lebenszeichen
Eines Tages kam der alte Nachbar rüber und übergab als Wiedergutmachung für eine Taktlosigkeit dem sonnenschein ein buntes Prospekt. Es zeigte viele bunte Blütenbilder, von Iris, von Pfingstrosen und anderen schönen Pflanzengesichtern.
Und hier, ganz plötzlich, lächelte ihm das Gesicht seiner liebsten Blüte entgegen! Sonnenschein bekam Herzklopfen vor lauter Aufregung war hin- und hergerissen und wußte nicht mehr, was er tun sollte! Er überlegte lange und tat etwas, was man in der Liebe einfach nicht tun darf und fragte nach dem Preis der vollendeten Liebe. Erkundigte sich, ob es auch gutgehen werde mit einer Beziehung, ob auch alle äußeren Gegebenheiten passen würden. Mit anderen Worten: er zauderte. So kam es, wie es kommen musste: als sich doch endlich für die preisintensive, puschelige Geliebte entschieden worden war, war sie inzwischen spröde geworden und nicht mehr zu haben.
Die glückliche Wendung
Das gleiche Spiel wiederholte sich im nächsten Jahr (inzwischen war auch der Preis stark gestiegen) aber der sonnenschein war sich inzwischen sicher und hatte erkannt, daß er seines Lebens ohne dieses Blütengesicht nie mehr richtig froh werden konnte.
Im dritten Jahr nun kam der Prospekt druckfrisch beim sonnenschein ins Haus. Dieser stürzte unverzüglich ans Faxgerät und beorderte seine Liebste zu sich.
Nur – war er diesmal in seiner Gier so weit gegangen, sich zu sagen: gibt es meine Liebste wieder nicht, so nehme ich dann eben ihre Schwester. Eine von beiden wird mir der Brautvater schon anvertrauen. Und wahrlich! Wie frohlockte der sonnenschein, es erfasste ihn die unbändige Freude, als die beiden Schwestern zu ihm kamen!
Aber die Verfassung der beiden Schwestern ließ ihn verzagen. Sie waren sooo zart, daß er große Angst um ihr Leben hatte. Auch fiel es dem sonnenschein nicht ganz leicht, aus dem begrenzten Platz in seinem Herzensgarten derer zwei zu machen. Und dann die Ausbrüche kalten Schweißes, wenn der arme sonnenscheinstudent an den doppelten Brautpreis dachte, den er für beide Schwestern bezahlt hatte! Also bettete er seine preisintensiven Liebsten an die sonnigste Stelle die er finden konnte, direkt am Haus. Die dankbaren Schwestern, die sich geliebt wußten, reckten sich dem sonnenschein entgegen und wurden groß und stark.
Nur ihr Gesicht hielten sie noch keusch verborgen.
Der erste Winter
Als dann aber der Winter kam, wurde dem sonnenschein Angst und Bange. Niemand konnte ihm sagen, wie er seine beiden Liebsten gegen die Kälte schützen sollte und wie gegen die Nässe!
So nahm er allen Mut zusammen, bedeckte die eine mit Tannenzweigen, der anderen schnitt er die graugrünen Blätter und Stengel ab und bedeckte sie mit Kompost und Torfersatz. Er selbst versorgte sich am Ofen den Winter über mit der erforderlichen Wärme. So wartete er sehnsüchtig auf den Frühling und hoffte inständig auf ein Wiedersehen mit seinen Liebsten.
Es wurde Frühling. Der Sonnenschein schickte seine wärmenden Strahlen und versuchte damit die geliebten Schwestern aufzuwecken. Aber es wollte nicht gelingen. Die Schneeglöckchen streckten ihre Gesichter nach oben, die Krokusse, ja selbst die Tulpen und Maiglöckchen. Aber sie alle machten dem sonnenschein gar keine Freude in diesem Jahr; er beweinte seine beiden Blütenpuschel-Schwestern.
Doch da, eines Tages, hob sich der Kompost um die Füße seiner Liebsten Romneya coulteri. Ein recht kräftiger blaugraugrüner Haarschopf schob sich hindurch und bald ward auch die Schwester gesehen, die geschützt hinter einem kleinen Steinchen ebenfalls ihre Glieder streckte.
Was war die Freunde groß!
In diesem Jahr wurden alle Anstrengungen unternommen, den Schwestern alles nur Mögliche an Pflege, Wärme und Liebe zukommen zu lassen um sie zu päppeln. Und, was soll ich Euch sagen – es gelang! Sie faßten Zutrauen und streckten dem sonnenschein beide ihre Blütengesichter entgegen. Er konnte sich nicht satt sehen an seinen beiden geliebten Schwestern und zeigte sie jedem der sie sehen wollte (und auch denen, die sie nicht sehen wollten)!
Die beiden Schwestern wurden groß. Sie hatten Verehrer, die an ihnen knabberten und sie überstanden die Winter, auch die harten, inzwischen ungeschützt.
Veränderung
Und mit den Jahren veränderten sich die Schwestern. Es veränderte sich die Beziehung zum sonnenschein, sie wurden bequem, der sonnenschein auch, die Romneyas gingen in die Breite, der sonnenschein – äh, ging an ihnen vorbei, blieb aber manchmal schon hängen, weil sie sich so breitmachten, bis über den Weg.
Nun machten die Schwestern Kinder. Sie sandten sie aus in die Umgebung, das Terrain für eine weitere Invasion der Romneyafamilie zu bereiten. Dafür fragten sie den sonnenschein nicht nach seiner Meinung. Und der ist darüber nun etwas ärgerlich. Denn weil seine Liebe, da erfüllt, sich – wie das nun eben so ist mit der Liebe – auch anderen Blütengesichtern zugewandt hat, ist seine Geduld nicht mehr ganz so endlos mit den beiden.
Zum Beispiel der Rose Maigold, die einen solch lieblichen, intensiven Duft hat, welcher den Romneyas fehlt. (Er findet gar, sie röchen etwas streng!) Vor Eifersucht versuchen nun die beiden Schwestern, die Maigold-Nachbarin zu erdrücken. Der sonnenschein drohte mit Ausriß; da weinten die Schwestern und aufgrund der alten Liebe ließ sich der sonnenschein erweichen und ließ die Maigold leiden…
Berichtet in 2004 über Romneya coulteri
Angestachelt durch die Nachgiebigkeit im Vorjahr machte sich die Romneya coulteri auf den Weg. Zwei Meter am Hausfundament entlang, durch den Betonsockel zur Straße, unter dem Asphalt hindurch und schickt sich nun an, den Fußgängern den sowieso schon schmalen Gehweg an der Straße zu verstellen. Der sonnenschein erwartet für das nächste Jahr folgendes: 1. wird sich die Romneya ein Tuch umhängen und nach Westernmanier die Fußgänger mit vorgehaltener Pistole bedrohen und 2. wird der sonnenschein nicht mehr ängstlich den Blick zum Sofa und das Reinigen hinter selbigem scheuen: denn seine Liebste wird längst durch das Fundament ins Haus gefunden haben und geschützt vor Blicken hinterm Sofa wuchern. Bis sie die alte Standuhr umwirft. Dann wird der sonnenschein sich ihr mal ernsthaft widmen müssen….
Berichtet in 2005 über Romneya coulteri
Hiermit distanziere ich mich schärfstens von allen Äußerungen, mit denen ich jemals geraten habe, Romneya coulteri an eine trockene Hauswand zu setzen. Oder Romneya überhaupt zu setzen. Ich hielt den oberen Text für eine Satire. Naivling!
Ich wußte nämlich nicht, daß sie längst bei jedem Buchstaben, den ich damals schrieb, sich einen Ast nach dem anderen lachte und zwar direkt zu meinen Füßen.
Denn am Sonntag hatte ich zum Geburtstagskaffee geladen und zehn Minuten vor dem Eintreffen der weiteren Gäste erschien hinter dem Sofa, direkt neben der Standuhr, der Hauptgast des Tages:
Der ungebetener Gast: Romneya coulteri
Nach dem Verlassen der Kaffeetafel machten mein Mann und ich uns auf, den letzten, den ´Hausgast´ aus dem Haus zu lassen. Was aber nicht so einfach war wie wir uns das erhofft hatten… Wir schraubten die Fußleisten ab. Wir schraubten den Deckel des mit Bituperl gefüllten Holzkastens ab, der das Sandsteinfundament isoliert… und da guckte sie uns doch schon an!
Und dann, als größte Überraschung, ein mehrere Meter langer und anderthalb Zentimeter dicker Haupttrieb, der sich aufgemacht hatte, mal zu sehen, wie es an der anderen Hausseite so aussieht. Aber es war noch mehr. Sie geht hinter den Fermacellplatten in den zweiten Stock. (jetzt nicht mehr, sie wurde unten gekappt ), sie ging mit etlichen Strängen unter den Holzfußboden (auch da liegen die jetzt ohne weitere Nährstoffzufuhr).
Ja, was werden wir machen? Alles ausgraben, was Romneya coulteri heißt. Heißt: etliche Quadratmeter am Haus entlang ausschachten, dabei unsere Drainage (u.a. Kies) von der Gartenerde trennen, mindestens ein Meter tief. Denn ich wollte sie schon mal vermehren, bis in 40 cm Tiefe hatte sie noch keine einzige Wurzel…
So freue ich mich, daß Frühlingswetter ist und ich sämtliche Clematis, Staudenpäonien, Rosen, Iris, Goldlack und vor allem meine exotischeren Frühjahrsblüher vor der Grabeaktion in Sicherheit bringen kann:
Leider kann man ja Romneya coulteri nicht umpflanzen, sonst würde ich sämtlichen Leuten, die ich nicht leiden kann, einen Ableger schenken. Und doch, und doch…. sollte mir nicht eine einzige bleiben?? Die Umsetzaktion trotzdem überleben?? Aber wohin? Nass will sie nicht. An trockene Plätze darf sie nicht. Diese Plätze sind alle in Gebäudenähe: Scheune, Pavillon, Haus.
Muß denn Liebe so enden?
Berichtet im September des Jahres 2005
Erste zarte graugrüne Köpfe von überlebenden Romneyaresten mindestens einen Meter entfernt vom Fundament entdeckt. Ich bin sicher, sie hat sich geändert! Sie wird begriffen haben, dass das was sie tat, falsch war! Mit welcher Zartheit und mit welch bescheidenem Charme hat sie ihren kleinen Kopf aus der Erde gereckt. Ich werde ihr noch eine Chance geben. Ob sie es wohl über den Winter schafft? Vielleicht sollte ich sie ein wenig schützen….